Chiwa - Garten in Dishan Qala
Der Garten in Dishan-Qala von Chiwa: Ein Meisterwerk zentralasiatischer Gartenbaukunst
Der Garten in Dishan-Qala von Chiwa war eine beeindruckende Anlage, die nicht nur durch ihre architektonische Gestaltung, sondern auch durch ihre landwirtschaftliche Vielfalt und ihre kulturelle Bedeutung hervorstach. Dishan-Qala, die außeren Stadtmauern Chiwas umfassend, beherbergte diesen prachtvollen Garten, der in verschiedene Abschnitte unterteilt war und als eine Oase der Ruhe, der politischen Machtausübung und des gesellschaftlichen Lebens diente.
Struktur und architektonische Besonderheiten
Die Gartenanlage bestand aus mehreren separaten Höfen, die durch hohe Lehmmauern voneinander getrennt waren. Innerhalb dieser Mauern befanden sich ein Empfangsraum, ein Erholungshof, ein Harem sowie verschiedene Dienstgebäude. Die Gestaltung dieser Anlage folgte den traditionellen Prinzipien der zentralasiatischen Gartenbaukunst, bei denen Architektur und Natur in harmonischer Weise miteinander verschmolzen.
Ein zentrales Merkmal der Gartenanlage waren die Havuze, große Wasserbecken, die sowohl in der männlichen als auch in der weiblichen Hofhälfte vorhanden waren. Diese Becken spielten eine entscheidende Rolle in der Regulierung des Mikroklimas und der Bewässerung der Gärten. Entlang der Ufer dieser Havuze erstreckten sich malerische Pergolen und weitläufige Aiwans, große überdachte Terrassen, die den Bewohnern als schattige Rückzugsorte dienten. Die Gartenwege sowie die Höfe waren mit Hudschumen, kugelförmigen Ulmen, bepflanzt, die zusätzlichen Schatten spendeten und die Umgebung mit ihrem dichten Laub schmückten.
Vielfalt der Vegetation und landwirtschaftliche Bedeutung
Die Gartenanlage von Dishan-Qala war nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch ein Hort der landwirtschaftlichen Exzellenz. Hier gediehen zahlreiche Obstsorten, die für die Region charakteristisch waren. Dazu gehörten verschiedene Traubenarten, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Feigen, Granatäpfel und Pfirsiche. Die Fülle dieser Früchte zeugt von der hochentwickelten Gartenbaukunst Chiwas, die durch ausgeklügelte Bewässerungssysteme ermöglicht wurde. Durch die Nutzung jahrhundertealter Kanalsysteme, sogenannter Aryks, konnte eine konstante Wasserversorgung gewährleistet werden, die eine erfolgreiche Kultivierung ermöglichte.
Unmittelbar um diese Gartenanlage herum befanden sich die privaten Gärten der Thronfolger und hochrangiger Beamter des Khanats. Diese feudalen Gärten waren nach ähnlichen Prinzipien gestaltet und trugen zur ästhetischen und wirtschaftlichen Bedeutung des gesamten Stadtbezirks bei. Die meisten dieser Gärten wurden während der Herrschaft von Allakuli-Khan (1825–1842) angelegt, der für seine ambitionierten Bau- und Stadtentwicklungsprojekte bekannt war.
Politische und kulturelle Rolle des Gartens
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Garten Nurullabay in Dishan-Qala zu einem zentralen politischen und administrativen Zentrum von Chiwa. Inmitten dieser Gartenlandschaft befanden sich bedeutende Einrichtungen wie die Diwane, die Verwaltung des Khanats, das Wachhaus sowie der Harem von Isfandiyar-Khan. Diese Gebäude bildeten das Herz des politischen Geschehens der Stadt und dienten als Versammlungsorte für hochrangige Würdenträger und Beamte.
Der Garten in Dishan-Qala war jedoch nicht nur ein Zentrum der politischen Macht, sondern auch ein bedeutender Ort für kulturelle Zusammenkünfte und gesellschaftliche Ereignisse. Musik- und Tanzvorführungen, Poesieabende sowie religiöse Feiern fanden in den prachtvollen Aiwans statt und prägten das soziale Leben der Stadt.
Niedergang und Verlust eines historischen Erbes
Mit der russischen Eroberung Zentralasiens und den darauffolgenden politischen Umwälzungen, insbesondere durch die Oktoberrevolution von 1917, begann eine tiefgreifende Veränderung in der Stadtlandschaft von Chiwa. Viele der kunstvollen Gärten und Paläste wurden zerstört oder zweckentfremdet. Die einst prächtigen Anlagen, die über Jahrhunderte hinweg das Stadtbild Chiwas geprägt hatten, verschwanden nach und nach.
Die Industrialisierung und der urbane Wandel führten dazu, dass traditionelle Gärten und Bewässerungssysteme vernachlässigt oder durch moderne Bauwerke ersetzt wurden. Damit ging ein bedeutendes architektonisches und kulturelles Erbe verloren, das einst die Identität und den Glanz der Stadt Chiwa widerspiegelte.
Der Garten in Dishan-Qala war ein herausragendes Beispiel für die zentrale Rolle, die Gartenbaukunst in der urbanen Gestaltung und im gesellschaftlichen Leben von Chiwa spielte. Als Teil einer jahrhundertealten Tradition verband er architektonische Eleganz mit landwirtschaftlicher Raffinesse und politischer Bedeutung. Auch wenn viele dieser historischen Gärten nicht mehr existieren, bleibt ihre Erinnerung als Zeugnis einer vergangenen Epoche erhalten. Heute sind die wenigen verbliebenen Gartenanlagen in Chiwa Mahnmale für die einstige Pracht dieser Stadt und erinnern an ihre großartige Geschichte.
*Der Ausdruck Harem (von harim / حريم / ḥarīm / ‚ Heiliger, unverletzlicher Ort; Heiligtum; geheiligter Bereich; weibliche Familienmitglieder, Frauen, Ehefrau) bezeichnet einen abgeschlossenen und bewachten Wohnbereich eines Serails oder Hauses, in dem die Frauen, die weiblichen Angehörigen und die unmündigen Kinder eines muslimischen Familienoberhaupts leben (Quelle: Wikipedia).